Die Medien sind voll von Informationen über das Coronavirus (Sars-CoV-2). Man liest sowohl Überschriften die einem vermitteln, dass die Mutationen das Virus harmlos werden lässt als auch Titel, die einem mit der Angst zurück lassen, es wird alles noch viel schlimmer. Ich kann gut verstehen, wer sich dann hilflos und verunsichert fühlt. Daher werde ich oft angesprochen: „Du kommst doch aus der Forschung, du musst dich doch mit sowas auskennen. Was stimmt denn nun?“
Dazu muss man ein wenig Wissen von der grundlegenden Molekularbiologie besitzen, was nun mal die meisten nicht haben. Denn man darf nicht vergessen, die Diskussionen die momentan allzu öffentlich geführt werden, sind eigentlich Diskussionen unter Forschern und Wissenschaftlern. Diese Diskussionen sind richtig und wichtig und machen gute Forschung aus. Sie führen jedoch allzu häufig zur Verunsicherung der Öffentlichkeit, die die genaue Bedeutung gar nicht versteht (oder sogar missversteht).
! Daher vorab die wichtigsten Punkte hier kurz zusammen gefasst: !
-> NICHT verunsichern lassen! Für den Otto Normalverbraucher ändert sich so schnell nichts! Weiterhin Abstand halten, auf die Hygiene achten (Hände waschen, nicht ins Gesicht fassen) und am besten alles im Freien.
-> Ihr müsst euch nicht damit beschäftigen! Egal wieviel von den Mutationen in den Medien gesprochen wird, ihr dürft das Thema auch einfach ignorieren. Denkt daran, es handelt sich um Fachdiskussionen.
-> Wer sich damit beschäftigen möchte: Immer den ganzen Artikel lesen und sich überlegen, was wurde nun tatsächlich gesagt. Überschriften sind immer so gewählt, dass möglichst viele Menschen angezogen werden. Oft wird sogar im Artikel geschrieben, warum die Überschrift falsch ist. Also ganz genau lesen! Genauso wichtig ist natürlich die Quelle. Lieber weniger Artikel lesen (mit genügend Zeit), diese aber dann von wissenschaftlichen Magazinen, auch wenn diese „schwerer Kost“ sein mögen. Denn diese haben meist nicht EIN Fazit, sondern zeigen mehrere Aspekte auf. Und genau das ist Forschung aktuell!
-> Momentan steigt die Zahl der Verstorben nicht proportional mit den Infektionszahlen. Dies liegt jedoch höchstwahrscheinlich nicht an einer Mutation des Virus, sondern an einer besseren medizinischen Versorgung und auch einem geänderten Altersdurchschnitt der Patienten (Anfang April: 52 Jahren, heute: 32 Jahre, Quelle s. unten).
So nun aber zum Thema Mutationen:
Mehr als 12 000 Mutationen von Sars-CoV-2 haben Forscher bislang katalogisiert. Dass Mutationen auftreten ist soweit ganz normal und findet immer und überall statt. Man muss sich bewusst machen, dass diese Mutationen rein zufällig entstehen. Daher wird dabei immer häufiger etwas „kaputt“ gehen, als dass etwas „sinnvolles“ entsteht. Aber anschließend findet Evolution live statt, d.h. es wird selektiert welche Mutation lebensfähig ist.
Haben wir z.B. ein Virus mit einer Mutation die dazu führt, dass es sich selbst nicht mehr vervielfältigen kann oder dass es keinen Menschen mehr infizieren kann, wird dieses Virus sehr schnell verschwinden. Haben wir ein Virus, das leichter übertragbar ist, wird es sich schneller auf mehr Menschen verteilen und wir werden immer mehr von dieser Virusvariante finden. Natürlich gibt es noch unzählige weitere Mechanismen, die hineinspielen ob sich eine Mutation ausbreiten kann oder nicht.
Wenn man mal genauer über diese Mechanismen nachdenkt, wird einem ganz schnell klar, dass diese viel Zeit in Anspruch nehmen. Sollte sich tatsächlich ein neuer Virustyp durchsetzten, dann braucht es außerdem vermutlich Jahre bis er sich weltweit gegen den bisherigen Typen durchsetzt.
D.h. bei der Diskussion über möglichen Varianten von Sars-CoV-2 die durch Mutation entstehen könnten, sollte man sich klar machen, dass 1. Wir nicht vorhersagen können welche Variante sich durchsetzen wird und 2. Dass es sich um einen SEHR langwierigen Prozess vermutlich über Jahre handelt und 3. Wenn es soweit ist, es vermutlich / hoffentlich die breite Öffentlichkeit nicht mehr interessiert, da wir schon alle längst geimpft sind ;-)
Wer Lust hat sich mit diesem (durchaus faszinierenden) Thema weiter zu beschäftigen, kann in den Links unten gerne weiter lesen.
Zuletzt noch zwei persönliche Bemerkungen von mir.
1. Auch ich bin kein Experte auf diesem Gebiet. Klar, durch meinen Hintergrund in der Forschung kann ich viele Informationen besser verstehen und zuordnen, aber auch ich bin auf die Informationen angewiesen, die der Öffentlichkeit vermittelt werden. Am besten sind immer primär Informationen. Also nehmt euch die Zeit und schaut euch die Pressekonferenz direkt an, anstatt später einen Artikel darüber zu lesen, oder schaut direkt beim RKI nach Informationen. Experten für Sars-CoV-2 gibt es nämlich nur sehr wenige und das sind KEINE Ärzte, Forscher von ähnlichen Gebieten etc., sondern wirklich NUR die Personen die schon jahrelang an Corona-Viren arbeiten bzw. das RKI, das auch genau für solche Fälle existiert!
2. Man liest immer wieder Vergleiche zwischen Corona und HIV. Jedoch sind diese beiden Viren sehr unterschiedlich! Außerdem ist die Mutationsrate von Sars-CoV-2 gerade einmal halb so groß wie die von Influenza-Viren und nur ein Viertel so groß wie die von HIV (Quelle s. unten). Daher ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass Corona uns dieselben Probleme wie das HI-Virus bereitet. Bevor man sich als Otto Normalverbraucher mit so einer unwahrscheinlichen Bedrohung in ferner Zukunft auseinandersetzt, sollte man sich lieber um viel näher liegende Bedrohungen kümmern: Beim Autofahren sich und Kinder immer anschnallen und mal vom Gas gehen; bei den entsprechenden Sportarten einen Helm tragen; sich und seine Tiere so ausbilden dass man weder für sich noch für andere eine Gefahr darstellt; und den Klimawandel und das Artensterben auf der Erde bekämpfen und noch vieles mehr…
Also bleibt vorsichtig aber cool und natürlich gesund!
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-mutationen-schwaechung-schnupfen-100.html